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Auch unerwünschte Hotelgäste bleiben aus

Dienstag, 4. Mai 2021

Weniger Gäste, das bedeutet auch, dass es weniger Schädlinge hat, «das ist klar. Wir haben auch weniger Gläser, die zu Bruch gehen, oder weniger Abnutzung bei den Matratzen, das Haus nimmt allgemein weniger Schaden – aber wir sind kein Museum», stellt Thomas Dübendorfer, der Direktor des Hotel «Bellevue» klar. Die fehlenden Touristinnen und Touristen hätten sich zwar positiv auf den Schädlingsbefall ausgewirkt, «aber es entstehen unter Umständen Standschäden. Wir müssen beispielsweise jeden dritten Tag sämtliche Wasserhähne durchspülen, damit wir keine Probleme mit Listerien bekommen».

Bild Thomas Dübendorf
Der Direktor des «Bellevue», Thomas Dübendorf, spricht die Probleme offen an.

Das Direktoren-Pärchen des «Bellevue» hat vor geraumer Zeit ein Jahresabonnement mit einer Spezialfirma abgeschlossen, damit diese prophylaktisch den ganzen Betrieb zwei Mal jährlich behandelt, «und auch wenn die aktuelle Situation kein grosses Gästeaufkommen zulässt, so haben die Schädlingsbekämpfer trotzdem zu tun». Die Prophylaxe werde weiterhin betrieben, «die Mittel, oder besser gesagt das Pulver, welches in unserem Fall zur Bekämpfung von allfälligen Bettwanzen eingesetzt wird, ist harmlos und gesundheitlich unbedenklich», erklärt der Direktor des an der Aare gelegenen Hotels in Interlaken.

Falls die vorbeugenden Massnahmen nicht wirken und trotz aller Vorsichtsmassnahmen doch ein Schädling wie die Bettwanze Einzug ins Hotel hält, «dann müssen wir das betroffene Zimmer für drei Tage isolieren und auf 60 Grad aufheizen». Der Aufwand für diese Prozedur sei immens, «es müssen sämtliche Ritzen abgeklebt beziehungsweise mit Silikon abgedichtet werden. Wenn dann das Hotelzimmer aufgeheizt wird, dann werden die umliegenden Räumlichkeiten daneben, darunter und darüber auch in Mitleidenschaft gezogen». Das bedeute, dass sämtliche betroffene Zimmer während dieser Isolierphase nicht benutzt werden können.

Andere Hoteliers hüten sich davor, sich zum Thema Schädlinge zu äussern, auch wenn gerade die Bettwanze seit Jahren im Fokus ist. Für diese «Verschwiegenheit» habe ich ein gewisses Verständnis.


Schlimmer als Corona

Vor drei Jahren gab es einen solchen Fall von Bettwanzenbefall im Hotel «Bellevue». Trotz der intensiven Vorsichtsmassnahmen hätten sich die unerwünschten Besucher innerhalb kürzester Zeit im Hotel verbreitet, «wir mussten umgehend handeln und haben entsprechende Massnahmen getroffen. Diese kleinen Biester wurden sogar in den Steuerungseinheiten der Waschmaschinen gefunden – das muss man sich mal vorstellen». Thomas Dübendorfer war zu dieser Zeit Präsident des «Hotellerie-Vereins», «wir haben einen Anlass organisiert, um die anderen Hoteliers auf dem Bödeli zu informieren und zu sensibilisieren. Wir hatten als Gastredner einen Schädlingsexperten, dieser nimmt dieses Thema sehr ernst. Während eines Hotelaufenthalts lässt er sämtliche Kleidung in seinem Koffer, er räumt nichts in die Schränke oder Kommoden. Und wenn er wieder zu Hause ist, dann öffnet er sein Gepäck vorsichtshalber in der Badewanne».

Dass diese Vorsichtsmassnahmen nicht übertrieben sind, das bemerkten Dübendorfers recht schnell, «dieser Befall im Jahr 2018 hat uns beinahe in den Ruin getrieben», betont Thomas' Frau Regula. In dieser Zeit seien grosse Existenzängste aufgekommen, «das war wirklich unheimlich zu sehen, wie schnell diese kleinen Biester solch immense Kosten verursachen können. Wir dachten wirklich, sie treiben uns in den Ruin. Ich muss ganz klar sagen, dass diese Blutsauger eine grössere Bedrohung für unsere Existenz waren als die aktuelle Krise. Aber trotz allem wollen wir nicht jammern», schliesst die junggebliebene Regula Dübendorfer. Andere Hoteliers hüten sich davor, sich zu der Thematik Schädlinge zu äussern, auch wenn gerade die Bettwanze seit Jahren ein Thema ist, «für diese 'Verschwiegenheit' habe ich ein gewisses Verständnis», erläutert der Direktor des Hotel «Bellevue». Viele Menschen würden Schädlinge mit mangelnder Hygiene oder unzureichender Hauswirtschaft in Verbindung bringen, «das ist ein Trugschluss. Speziell die Bettwanzen sind blinde Passagiere, die jeder auf sich oder seinem Gepäck herumtragen kann; dieses Problem betrifft sämtliche Unterkünfte, von Hostels bis zu den Fünf-Sterne-Betrieben. Natürlich erzählen wir lieber von der tollen Aussicht in unserem Haus und dem leckeren Frühstück als von solchen Schwierigkeiten. Es ist auch nicht die beste 'Publicity', aber wir sind ehrlich und nennen die Dinge beim Namen».

Thomas und Regula Dübendorfer
Thomas und Regula Dübendorfer, das Direktoren-Pärchen des «Bellevue».


In der Tat haben wir im letzten Jahr einen Rückgang von Bettwanzen-Aufträgen gespürt, dieser betrug rund 15 Prozent. Dabei haben zweifelsohne auch die fehlenden Touristen eine Rolle gespielt.

Weniger Touristen, weniger Schädlinge, weniger Arbeit

Der durch die ungewöhnlichen Zeiten rückgängige Tourismus löste eine Kettenreaktion aus. Den Hotelbetrieben fehlten die Gäste, durch dieses Ausbleiben wurden auch weniger Schädlinge verbreitet, was wiederum zu einem Auftragsrückgang bei Schädlingsbekämpfern führte. «In der Tat haben wir im letzten Jahr einen Rückgang von Bettwanzen-Aufträgen gespürt, dieser betrug rund 15 Prozent. Dabei haben zweifelsohne auch die fehlenden Touristen eine Rolle gespielt sowie die fehlenden Übernachtungen in Jugendherbergen, Hotels, B&Bs oder Motels», präzisiert Levin Fankhauser von der «Desinfecta AG», einem schweizweit operierenden Unternehmen, das sich auf Schädlingsbekämpfung spezialisiert hat.


Levin Fankhauser von der «Desinfecta AG».


In den vorangegangenen Jahren seien die Aufträge, vor allem was Bettwanzen betrifft, deutlich zahlreicher eingegangen, «durch die spezielle Situation und die damit verbundenen Einschränkungen sind die Aufträge anschliessend eklatant gesunken. Somit ist klar, dass, zumindest unsere Unternehmung, die Pandemie in Sachen Bettwanzen deutlich zu spüren bekam». Der Auftragsschwund könne allerdings nicht nur auf fehlende Touristen aus Übersee oder Europa zugeschrieben werden, «auch durch Übernachtungen bei Freunden und Bekannten können Bettwanzen ins Haus gelangen».

Besonders bei Bettwanzen spiele die Kommunikation und Schulung der Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle, «wenn ein Bettwanzenbefall in einem Zimmer vorliegt, ist es gut möglich, dass angrenzende Zimmer auch befallen sind, oder befallen werden. Somit ist eine 'Befallsanalyse' auch in angrenzenden Räumlichkeiten unabdingbar», erklärt der Experte der «Desinfecta AG». Weiter sei wichtig, dass die vorgeschriebene Bekämpfungsdauer eingehalten werde, «wird ein Zimmer vor der empfohlenen Frist wieder verwendet beziehungsweise die Bekämpfung gestört, kann kein Erfolg garantiert werden. Zusätzlich ist immer eine Erfolgskontrolle vorzunehmen, damit garantiert werden kann, dass ein Zimmer wanzenfrei ist».


Totgesagte leben länger

Bettwanzen galten als ausgerottet, doch mittlerweile breiten sich die kleinen Blutsauger wieder aus. In früheren Jahren wurden diese mit chemischen Keulen wie DDT beseitigt; Dichlordiphenyltrichlorethan ist ein Insektizid, das seit Anfang der 1940er-Jahre eingesetzt wird und das zu der Annahme führte, man habe die Schädlinge ein für alle Mal beseitigt. Zu Beginn, als DDT weltweit Verbreitung fand, wurde sogar der Einsatz in Kinderzimmern propagiert. In der Zwischenzeit hat sich die euphorische Haltung relativiert. In rund 180 Ländern darf DDT seit einigen Jahren nicht mehr oder nur eingeschränkt eingesetzt werden. Der in der Vergangenheit als harmlos geltende Stoff birgt diverse Risiken, im Speziellen für Vögel und andere Tierarten. DDT kann ihr Erbgut schädigen und ihre Fortpflanzung verhindern. Das Insektizid baut sich in der Natur ausserdem sehr langsam ab und kann auch für den Menschen schädigend sein. Wie sehr, dies ist in wissenschaftlichen Kreisen bis heute umstritten. Heutzutage werden verschiedene Mittel gegen Bettwanzen eingesetzt, im Hotel «Bellevue» beispielsweise ein Insektizid auf Basis von Silikatstaub. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass die kleinen Blutsauger ihren Weg ins Hotelzimmer oder in den Koffer finden. Nachts trippeln die kleinen Parasiten aus ihren Verstecken, spüren die Wärme des menschlichen Körpers und stechen zu. Aus den Stichen entstehen juckende Pusteln. Man erkennt einen Befall mit Bettwanzen an den Stichen, welche meist in einer Reihe oder Gruppe angeordnet sind.

Link zum Verlag - original Beitrag - Jungfrau Zeitung

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