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Zürcher Unterländer: Wenns krabbelt im Vorratsschrank

Montag, 4. November 2013

Die Firma Desinfecta bekämpft Schädlinge aller Art. War die Branche früher durch Chemiekeulen bekannt, kommen heute schonendere Verfahren zum Einsatz. Ein Mitarbeiter der Dälliker Firma hat vier Beine und eine feine Nase.

Haustiere sind beliebte Mitbewohner. Doch gewisse Gattungen jagen auch tierliebenden Menschen das nackte Grauen über den Rücken. Wenn einem beim Öffnen des Küchenkastens Motten entgegen fliegen oder Mäuse über die Füsse rennen, ist es mit der Tierliebe meist zu Ende. Noch schlimmer, wenn sich ungebetene Gäste am eigenen Leib zu schaffen machen. Wer am Morgen rote, juckende Flecken am Oberkörper und an den Füssen feststellt, tut gut daran, einen Blick unters Bett und in die Ritzen und Spalten der Matratze zu werfen. Bettwanzen ziehen sich tagsüber in dunkle Verstecke zurück. Nachts kriechen sie hervor und machen sich auf die Suche nach ihrer Lieblingsspeise: dem Blut von seligen Schläfern.

«Häufig sind am Tag nur Kotspuren zu erkennen», weiss Andy Probst. Der leitende Mitarbeiter der Firma Desinfecta mit Hauptsitz in Dällikon wird oft zu Privatpersonen oder in Hotels gerufen, in denen sich Bettwanzen niedergelassen haben. Die Tiere hätten sich in den letzten Jahren wieder stärker ausgebreitet, sagt der Schädlingsbekämpfer. Dies könnte mit der Klimaerwärmung und dem häufigeren Reisen zu tun haben§, mutmasst er. Mangelnde Hygiene sei jedoch nicht der Grund für einen Befall. «Bettwanzen können sowohl in einfachen Pensionen als auch in Fünfsternehotelsauftreten.»

So wie kürzlich in einem Unterländer Hotel, das verständlicherweise nicht mit Namen genannt werden möchte. Die Gäste hätten sich am Morgen über Juckreiz beschwert, erzählt eine Mitarbeiterin. Zuerst habe man an Mücken gedacht. Doch die Blutspuren auf der Bettwäsche wiesen deutlich auf Bettwanzen hin. Das Hotelpersonal rief die Firma Desinfecta zu Hilfe, welche die vier befallenen Zimmer mit einem speziellen Ofen auf 55 Grad Celsius aufheizte. Manchmal verwende man auch minus78 Grad kalten Trockeneisschnee, erklärt Probst. Drei Wochen nach der Behandlung kontrolliert die Firma mit einem Hund, ob noch Tiere überlebt haben. Während auch Schädlingsbekämpfer mit geübtem Auge höchstens 40 Prozent der Tiere erkennen, erwischt ein Spezialhund 95 Prozent. «100 Prozent Garantie hat man nie, denn ein Hund ist keine Maschine», sagt Probst.

«Seek, seek», befiehlt Hundehalter Didier Frey, der mit Mailo extra aus der Westschweiz angereist ist und regelmässig mit der Firma zusammenarbeitet. Der beigefarbene Labrador schnuppert an der Matratze, in den Schubladen und hinter dem Bilderrahmen, in dem noch einzelne tote Exemplare zu erkennen sind. «Good boy», lobt ihn sein Halter und tätschelt ihm den Hals. Mailo stammt aus den USA, wo er an einer Hundeakademie in Florida speziell für die Erkennung von lebenden Bettwanzen trainiert wurde. Täglich übt er mit seinem Halter. Im Unterländer Hotelzimmer hat er keine Tiere mehr gefunden. Gut so, denn das Zimmer ist bereits wieder belegt.

So wenig Chemie wie möglich

Wie viele andere Institutionen lässt sich das Unterländer Hotel einem regelmässigen Monitoring unterziehen. Besonders in der Küche forschen die Desinfecta Mitarbeiter nach Maden, Kakerlaken, Ameisen, Mäusen und anderem Getier. Sie schulen die Angestellten in Hygienemassnahmen und rücken den Schädlingen bei Bedarf mit Insektiziden und alternativen Methoden zu Leibe.

«Wir arbeiten so wenig wie möglich mit Chemie», betont Geschäftsführer Jürg Aebischer. Kam früher eine wahre Chemiekeule zum Einsatz, so stehen heute immer mehr andere Verfahren zur Verfügung. So setzt die Firma zum Beispiel Nützlinge aus, die dem Ungeziefer den Garaus machen. Gewisse Wespenarten können Motten, Käfer oder Maden, die sich in Vorräten tummeln, unschädlich machen. Auch Mikrowellen kommen zum Einsatz sowie die sogenannte Atmosphärentechnik. Dabei wird eine Kammer, die etwa so gross ist wie ein Eisenbahnwagen, mit Stickstoff geflutet. Darin werden zum Beispiel antike Holzmöbel oder hochpreisige Lebensmittel wie etwa Morcheln oder Gewürze behandelt. In einem mehrtägigen Prozess wird den Schädlingen der Sauerstoff entzogen. Die Technik sei so ökologisch, dass man damit sogar Bioprodukte behandle, sagt Aebischer.

Mausefalle kommuniziert

Gegen Nagetiere werden wie eh und je Mäusefallen ausgelegt, jedoch etwas modernere als zu Grossvaters Zeiten: Ist eine Maus in die Falle geraten, sendet das Gerät eine Botschaft per E-Mail oder SMS an die zuständige Person. Diese kann darauf das tote Tier entfernen und die Falle wieder spannen. Bei der Kundschaft sei viel Überzeugungsarbeit nötig, weil die neuen Methoden meist aufwendiger seien und daher mehr kosten, sagt Aebischer. Doch sie seien auch nachhaltiger: «Viele Schädlinge entwickeln Resistenzen gegen chemische Bekämpfungsmittel.»

Die 1921 gegründete Firma Desinfecta beschäftigt heute rund 50 Mitarbeitende an neun Standorten in der Schweiz. Die Schädlingsbekämpfer absolvieren berufsbegleitend eine fünfmonatige Ausbildung. Die meisten Mitarbeiter sind Quereinsteiger, viele haben zuvor im Lebensmittelsektor gearbeitet.

Bettwanzen erobern Matratzen

Den grössten Anteil der Kundschaft machen industrielle Betriebe aus, wie zum Beispiel Lebensmittelhersteller oder Lagerhalter wie Getreidesilos. Doch auch viele andere Branchen würden sich heutzutage regelmässigen Kontrollen unterziehen, sagt Aebischer. Dort gehe es vor allem um Nager: Auch in einer Bank können Ratten das ganze System lahmlegen, wenn sie etwa ein Kabel anknabbern. In Privathaushalten hingegen sind Wespen ein häufiges Thema – und immer mehr Bettwanzen.

So zum Beispiel in einer Aargauer Wohnung, bei der Andy Probst und Didier Frey mit Mailo nach dem Hotelbesuch nachkontrollierten. Die Familie habe die Schädlinge wohl als unfreiwilliges Souvenir von den Ferien heimgebracht, sagt Probst. «Sie reisen in Koffern oder Kleidern mit.» Auch hier entdeckt Mailo nichts mehr. Grundsätzlich sei die Behandlung wirksam, sagt Probst. Doch die Nachkontrolle vermittle sowohl der Firma als auch den Kunden Gewissheit. «Wer einmal Bettwanzen gehabt hat, reagiert oft etwas überängstlich und ruft uns bei jedem Mückenstich sofort an.»

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